Unwirksame Verlängerung der Kündigungsfrist im Arbeitsrecht (BAG, Urt. v. 26.10.2017 – 6 AZR 158/16)

Die erhebliche Verlängerung der gesetzlichen Kündigungsfrist für den Arbeitnehmer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen kann wegen unangemessener Benachteiligung des Arbeitnehmers gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam sein, auch wenn die Kündigungsfrist für den Arbeitgeber in gleicher Weise verlängert wird. So entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seinem Urteil vom 26.10.2017 (6 AZR 158/16). In dem vom BAG zu entscheidenden Rechtsstreit ging es um die Wirksamkeit einer vom Arbeitgeber vorformulierten Zusatzvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, in der die Kündigungsfrist für beide Seiten auf drei Jahre zum Monatsende verlängert wurde. Zwischen den Parteien bestand seit Dezember 2009 ein Arbeitsverhältnis. Der Beklagte war bei der Klägerin, einer Speditionsfirma, als Speditionskaufmann in einer 45-Stunden-Woche zu einem Bruttogehalt von 1.400,- € beschäftigt. Im Juni 2012 unterzeichneten die Parteien eine von der Klägerin vorformulierte Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag. Hiernach erhöht sich das monatliche Bruttogehalt auf 2.400,- € und die gesetzliche Kündigungsfrist verlängert sich für beide Parteien auf drei Jahre zum Monatsende. Zudem sollte das Bruttomonatsgehalt auf 2.800,- € angehoben werden, wenn der monatliche Reinerlös mindestens 20.000,- € beträgt. Die Vereinbarung der Verlängerung der Kündigungsfrist sollte ausdrücklich im Zusammenhang mit der vereinbarten Gehaltserhöhung stehen. Vereinbart wurde ferner, dass das nunmehr vereinbarte Gehalt bis zum 30.05.2015 nicht erhöht werde und ein eventuell zu einem späteren Zeitpunkt erhöhtes Gehalt wiederum mindestens zwei Jahre unverändert bleiben soll. Hinzu kam eine Vertragsstrafenregelung für den Fall, dass der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis vertragswidrig beendet. Im Dezember 2014 bemerkte ein ebenfalls beim Kläger beschäftigter Arbeitnehmer das Programm „PC Agent“, das die Klägerin installieren lassen hat und welches zur Überwachung des Arbeitsverhaltens geeignet ist. Nachdem der Beklagte hiervon Kenntnis erlangt hatte, übergab dieser noch im Dezember 2014 der Klägerin seine Kündigung zum 31.01.2015. Zum 01.02.2015 nahm der Beklagte eine neue Tätigkeit bei einem anderen Speditionsunternehmen auf. Die Klägerin erhob Klage vor dem Arbeitsgericht unter anderem auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis über den 31.01.2015 fortbestehe und insbesondere nicht durch die Kündigung des Beklagten zum 31.01.2015 beendet worden ist. Das Arbeitsgericht gab der Klage zunächst statt. Auf die Berufung des Beklagten wies das Landesarbeitsgericht die Klage ab. Hiergegen legte die Klägerin Revision ein und begehrte die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis über den 31.01.2015 fortbestehe.

Das BAG wies in seinem Urteil vom 26.10.2017 die Revision zurück und stellte fest, dass das Landesarbeitsgericht die Feststellungsklage der Klägerin zu Recht abgewiesen hat. Das Arbeitsverhältnis wurde durch die Kündigung der Beklagten zum 31.01.2015 beendet. Es lag eine ordentliche Eigenkündigung des Beklagten zum 31.01.2015 gem. § 622 Abs. 1 BGB vor. Nach der Entscheidung des BAG hat das Landesarbeitsgericht zu Recht festgestellt, dass die Verlängerung der Kündigungsfrist gemäß Zusatzvereinbarung unwirksam gewesen ist, da sie den Beklagten nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalles entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB benachteiligt. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist auf die in der Zusatzvereinbarung enthaltene Regelung zur Verlängerung der Kündigungsfrist auf 3 Jahre anwendbar. Insbesondere findet § 307 BGB bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann Anwendung, wenn sie nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und der Verbraucher auf sie keinen Einfluss nehmen konnte. Dies ergibt sich aus § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB. Bei Arbeitsverträgen handelt es sich um Verbraucherverträge. Auf den Inhalt der Zusatzvereinbarung konnte der Beklagte keinen Einfluss nehmen, dies ergibt sich aus den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts. Die Zusatzvereinbarung wurde auch von der Klägerin vorformuliert, dies ist zwischen den Parteien unstreitig. Zudem hat die Klägerin nicht substantiiert dargelegt, dass der Beklagte auf den Inhalt der Zusatzvereinbarung Einfluss nehmen konnte. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Verwender der AGB oder der „Einmalbedingung“ deren Kerngehalt ernsthaft zur Disposition stellt und dem anderen Gestaltungsfreiheit einräumt, um seine Interessen zu wahren. Dies ergibt sich nicht aus dem Vortrag der Klägerin, wie das Landesarbeitsgericht zu Recht feststellte. Insbesondere weist das Landesarbeitsgericht zutreffend darauf hin, dass sich aus dem Wortlaut der Zusatzvereinbarung ergibt, dass die Klägerin die Gehaltserhöhung nur in Verbindung mit den übrigen Regelungen der Zusatzvereinbarung, insbesondere der Verlängerung der Kündigungsfrist und der Festschreibung des Gehalts sowie der Vertragsstrafe gewähren wollte. Aus dem Vortrag der Klägerin ergibt sich nicht, dass die Abhängigkeit dieser Regelungen voneinander ernsthaft zur Disposition gestellt wurde. Die Klägerin hätte darlegen müssen, dass sie dem Beklagten die reale Möglichkeit gegeben hat, Einfluss auf die Ausgestaltung der Regelungen zu nehmen. Dies hat sie nicht getan. Stattdessen hat der Beklagte vorgetragen, ihm sei die Zusatzvereinbarung lediglich vorgelegt, aber nicht mit ihm durchgesprochen worden. Der Kläger hat diesen Vortrag nicht bestritten. § 307 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB findet daher auf die Regelung zur Verlängerung der Kündigungsfrist in der Zusatzvereinbarung Anwendung.

Die Inhaltskontrolle der Regelung zur Verlängerung der Kündigungsfrist ergibt, dass diese den Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Eine unangemessene Benachteilung liegt dann vor, wenn der Arbeitnehmer einer Verlängerung der gesetzlichen Kündigungsfrist in einer vorformulierten Erklärung zustimmt, ohne dass ihm eine Gegenleistung zugesprochen wird. Aber auch, wenn die Verlängerung der Kündigungsfrist mit einer Gegenleistung verknüpft ist, kann diese den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen, falls die Gegenleistung keinen ausreichenden Ausgleich für die Verlängerung der Kündigungsfrist schafft. So verhält es sich hier. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht eine solche unausgewogene Gestaltung bejaht. Der Nachteil der langen Kündigungsfrist für den Beklagten wird weder durch die Arbeitsplatzgarantie noch durch die Gehaltserhöhung aufgewogen. Damit ist der Nachteil der durch die verlängerte Kündigungsfrist eingeschränkten beruflichen Bewegungsfreiheit des Beklagten wegen der konkret-individuellen Begleitumstände der Zusatzvereinbarung unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Das Recht des Beklagten auf freie Arbeitsplatzwahl wurde trotz des Arbeitsplatzerhalts und der Erhöhung der Vergütung erheblich und unangemessen eingeschränkt. Das in der Zusatzvereinbarung geregelte Höchstentgelt von 2.800,- € brutto für einen Speditionskaufmann ist nicht geeignet, die unangemessene Benachteiligung des Beklagten durch die langfristige Bindung aufgrund der langen Kündigungsfrist zu kompensieren. Dem stehen unter anderem die vereinbarte 45-Stunden-Woche und der Umstand, dass die Höhe des Gehalts für die Dauer von fast drei Jahren eingefroren wird, entgegen. Der Zweck der verlängerten Kündigungsfrist bestand zudem für Klägerin auch darin, das Wissen des Beklagten nicht kurzfristig an einen Wettbewerber zu verlieren. Diese Begleitumstände sind nach § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteilung zu berücksichtigen. Die Bewertung der Interessenlage beider Parteien führt zu dem Ergebnis, dass mit der Verlängerung der Kündigungsfrist eine unangemessene Benachteilung des Beklagten vorliegt. So hat es das Landesarbeitsgericht nach Auffassung des BAG zu Recht entschieden.

Die Regelung zur Verlängerung der Kündigungsfrist in der Zusatzvereinbarung war aufgrund dessen gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, mit der Folge, dass die gesetzliche Kündigungsfrist gilt und der Beklagte sein Arbeitsverhältnis zum 31.01.2015 kündigen konnte.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.10.2017 – 6 AZR 158/16

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