Fahrrad mit Werbung – zulässiger Gemeingebrauch oder Sondernutzung? (VG Neustadt a.d. Weinstraße, Beschl. v. 30.01.2018 – 4 L 10/18)

Aus dem Straßenbild kaum wegzudenken sind Fahrräder mit Werbung. Dazu wird einfach eine Tafel in den Rahmen eingebracht oder auf dem Gepäckträger befestigt und fertig ist die frei gestaltbare Werbefläche. Unschlagbarer Vorteil: Das Fahrrad kann an zentralen Punkten abgestellt werden. Die gute Idee hat aber einen Nachteil: das Abstellen eines Fahrrades mit Werbung kann nämlich rechtlich nicht vom straßenrechtlichen Gemeingebrauch gedeckt sein, sondern eine erlaubnispflichtige Sondernutzung darstellen. Wer also sein Werbefahrrad abstellen möchte, darf das regelmäßig nur dann, wenn er bei der Straßenbehörde eine Sondernutzungserlaubnis dafür eingeholt hat. Die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis richtet sich nach den Straßengesetzen der Bundesländer (z. B. § 34 LStrG Rh-Pf). Wer eine solche Erlaubnis nicht hat, riskiert Bußgelder und Beseitigungsverfügungen. Ein vom Verwaltungsgericht Neustadt a.d. Weinstraße entschiedener Fall zeigt, dass es aber durchaus Ausnahmen gibt (Beschluss vom 30.01.2018 – 4 L 10/18):

Entscheidend ist nämlich, ob eine Sondernutzung vorliegt. Diese unterscheidet sich von dem ohne Erlaubnis zulässigen Gemeingebrauch dadurch, dass die Nutzung die Grenzen des Gemeingebrauchs überschreitet. Der Gemeingebrauch beschreibt alles, wozu Straßen, Wege und Plätze bestimmungsgemäß dienen und bestimmt sich danach, für welche Zwecke diese gewidmet sind. Umfasst ist die Nutzung der öffentlichen Straße, Wege und Plätze zum Verkehr im weitesten Sinne. Wird die Straße hingegen nicht zum Verkehr, sondern für gewerbliche Zwecke genutzt, handelt es sich um eine Sondernutzung. Wenn Fahrräder durch die Werbetafeln ihre Fahrtauglichkeit nicht verloren haben und ihre Eignung zur Teilnahme am Verkehr im Rahmen des Gemeingebrauchs nicht verloren haben, muss aber im Einzelfall geprüft werden, ob tatsächlich eine Überschreitung des Gemeingebrauchs vorliegt. Allein der Umstand, dass ein Fahrrad nicht verkehrstüchtig ist, weil beispielsweise die Beleuchtungsanlage defekt ist oder der Sattel fehlt, hindert nicht die Benutzung im Rahmen des Gemeingebrauchs, denn der straßenrechtliche Gemeingebrauch (Länderkompetenz) ist nicht von der straßenverkehrsrechtlichen Zulässigkeit (Bundeskompetenz) abhängig. Das Abstellen von Fahrrädern gehört zum so genannten ruhenden Verkehr und ist vom Gemeingebrauch gedeckt. Der Werbezweck ist allerdings Zweifels ohne ein rein gewerblicher Zweck und daher eine erlaubnispflichtige Sondernutzung. Entscheidend für die Abgrenzung zwischen Gemeingebrauch und Sondernutzung ist aber der Schwerpunkt der Nutzung.

Ruhender Verkehr im Rahmen des Gemeingebrauchs setzt voraus, dass das Fahrzeug betriebsbereit vorrangig zu Verkehrszwecken und nicht zu gewerblichen Zwecken vorübergehend abgestellt wird. Erforderlich ist dafür, dass das Abstellen als eine Unterbrechung des fließenden Verkehrs angesehen werden kann (VG Hamburg, Beschluss vom 30.07.2008 – 4 E 1996/08). Sofern das Verkehrsmittel nicht vorrangig für Verkehrszwecke benutzt wird, handelt es sich um eine Sondernutzung. Anhaltspunkte für die Abgrenzung zwischen Sondernutzung und Gemeingebrauch sind

– Dauer,

– Ort und

– Art der Abstellung.

Wird ein Fahrrad für längere Zeit an ein und demselben Ort abgestellt und dort dem Verfall preisgegeben, spricht das für das Überwiegen der Sondernutzung. Gleiches gilt, wenn das Fahrrad objektiv nicht mehr für eine Nutzung im Verkehr geeignet ist, etwa weil die Reifen platt, die Räder beschädigt oder demontiert sind oder andere Teile fehlen. Der Ort der Aufstellung kann das Überwiegen des Werbezwecks – und damit der gewerblichen Sondernutzung – indizieren, etwa dann, wenn das Rad an publikumsreichen Stellen platziert wird. Dabei kann es auch auf den konkreten Werbezweck ankommen: werden Werbefahrräder mit Taxi-Werbung in der Nähe von Kneipen oder Bahnhöfen aufgestellt, spricht das für das Überwiegen des Werbezwecks. In dem vom Verwaltungsgericht Neustadt a.d. Weinstraße entschiedenen Fall überwog die Werbenutzung, sodass das Abstellen als Sondernutzung zu qualifizieren und ohne Erlaubnis unzulässig war.

Hintergrund: Die Entscheidung bedeutet nicht das Aus für Nutzung von Fahrrädern für kostengünstige Werbung. Erforderlich ist aber, dass die Fahrräder für den Verkehr genutzt werden. Das dürfte bei fahrtüchtigen Fahrrädern, die nicht zwingend verkehrssicher sein müssen, der Fall sein, wenn sie von Zeit zu Zeit ihren Ort verändern. Das vom Verwaltungsgericht Neustadt a.d. Weinstraße ins Feld geführte Argument, dass eine publikumsrelevante Aufstellung für das Vorliegen einer Sondernutzung spricht, ist mit Vorsicht zu genießen, denn es kann durchaus sein, dass diese Art der Aufstellung der tatsächlichen Nutzung im Rahmen des Gemeingebrauchs geschuldet ist. Wer mit dem Rad zum Bahnhof fährt, stellt es dort ab. Dieser Umstand allein kann daher nicht dazu führen, dass dem Radfahrer die Benutzung im Rahmen des Gemeingebrauchs abgesprochen wird.

VG Neustadt a.d. Weinstraße Beschluss vom 30.01.2018 – 4 L 10/18

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