Kein Klagerecht einzelner Eigentümer bei Veränderungen am WEG-Gemeinschaftseigentum (LG München, Urt. v. 15.11.2017 – 1 S 1978/16 WEG)

In Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) kommt es häufiger zu Meinungsverschiedenheiten über eigenmächtige Maßnahmen einzelner Wohnungseigentümer. Von der Umgestaltung des zum Gemeinschaftseigentum gehörenden Gartens bis hin zu Änderungen an Wänden, Wohnungseingangstüren oder Fenstern bieten Änderungen, die nicht mit allen Eigentümern abgestimmt sind, Stoff für handfeste Konflikte. So auch in einem vom Landgericht München entschiedenen Fall:

Eine Wohnungseigentümerin hat in ihrer Dachgeschosswohnung im Jahr 2013 eigenmächtig fünf Dachfenster einbauen lassen. Doch die Freude über die lichtdurchflutete Wohnung währte nur kurz. Klar ist, dass einzelne Wohnungseigentümer nicht ohne Zustimmung aller anderen Wohnungseigentümer Veränderungen am Dach vornehmen dürfen, denn beim Dach handelt es sich um Gemeinschaftseigentum, das allen gemeinsam gehört. So dauerte es nicht lange, dass sich Widerstand gegen die neuen Dachfenster regte. Einzelne Wohnungseigentümer verlangten von der Eigentümerin der Dachgeschosswohnung den Rückbau. Parallel entschied die Wohnungseigentümergemeinschaft, dass sie ebenfalls gegen den Einbau der Dachfenster vorgehen werde. Die Stimmung innerhalb der Gemeinschaft war angespannt und es kam trotz der Entscheidung, gegen den Umbau vorzugehen, zu Meinungsverschiedenheiten darüber, wie mit der Angelegenheit zu verfahren war. Einige Eigentümer verlangten den Rückbau, andere hingegen hätten sich mit einer anständigen Vergleichssumme, die den Instandhaltungsrücklagen gutgeschrieben werden könnte, zufrieden gegeben. Mit diesem Kuschelkurs gaben sich die Hardliner unter den Eigentümern nicht zufrieden und klagten auf Rückbau und Wiederherstellung des vorherigen Zustands. Das Amtsgericht gab ihnen Recht. Die Eigentümerin der Dachgeschosswohnung hatte eigenmächtig in Gemeinschaftseigentum eingegriffen. Solche Eingriffe dürften auch einzelne Eigentümer abwehren (§§ 823, 1004 BGB).

Die Eigentümerin der Dachgeschosswohnung legte Berufung gegen das Urteil ein. Mit Erfolg: Das Landgericht München urteilte, dass vorliegend sowohl den einzelnen Eigentümern als auch der Gemeinschaft ein Rückbauanspruch zustehe. Dieser ergibt sich bei den einzelnen Eigentümern aus §§ 823, 1004 BGB. Einzelnen Eigentümern ist es danach gestattet, Beeinträchtigungen des gemeinschaftlichen Eigentums abzuwehren. Davon umfasst ist das Recht, die Wiederherstellung des vorherigen Zustands zu verlangen. Daran, dass der Einbau der Dachflächenfenster rechtswidrig war, bestehen keine Zweifel, denn beim Dach handelt es sich um Gemeinschaftseigentum, das der einzelne Eigentümer nicht eigenmächtig verändern darf (§ 22 Absatz 1, § 14 Absatz 1 WEG). Dabei ist grundsätzlich jede Veränderung geeignet, Rückbauansprüche auszulösen, es sei denn die Veränderung ist unerheblich. Das ist bei der Veränderung des Daches nicht der Fall, denn dadurch wird die äußere Ansicht des Hauses verändert und in die Substanz des Daches eingegriffen. Zu berücksichtigen ist aber – und an dieser Stelle wich das Landgericht von der Rechtsauffassung des Amtsgerichts ab –, dass auch der Wohnungseigentümergemeinschaft ein Anspruch auf Rückbau zusteht (§ 14 Absatz 1 WEG, § 280 BGB; § 823 Absatz 1, § 249 BGB). Dieser parallel bestehende Anspruch führt dazu dass individuelle Ansprüche der einzelnen Eigentümer zurücktreten müssen. Nach Auffassung des Landgerichts besteht hier keine echte Anspruchskonkurrenz, sondern der Anspruch der Gemeinschaft schließe die Einzelansprüche aus. Das folge daraus, dass der Gemeinschaft ein Wahlrecht zustehe, ob sie die Wiederherstellung des vorherigen Zustands – die so genannte Naturalrestitution nach § 249 Absatz 1 BGB) – oder Geldersatz nach § 249 Absatz 2 BGB verlangt. Würde man den einzelnen Wohnungseigentümern die Durchsetzung des Anspruchs auf Wiederherstellung zubilligen, wäre das der Gemeinschaft zustehende Wahlrecht vereitelt. Das Gericht hält daher die Gemeinschaft vorrangig für zuständig, mit der Folge, dass den einzelnen Eigentümern kein Anspruch zustehe. Die Klage wurde daher als unzulässig abgewiesen. Eine unzumutbare Beeinträchtigung der Rechte der einzelnen Eigentümer erkannte das Gericht nicht, denn diese seien über den unverjährbaren Anspruch auf ordnungsgemäße Verwaltung hinreichend geschützt.

Hintergrund: Die Entscheidung behandelt grundlegende Fragen des Verhältnisses von Ansprüchen einzelner Wohnungseigentümer zu Ansprüchen der Gemeinschaft. Obwohl diese Fälle regelmäßig auftreten, existiert keine einheitliche Rechtsprechung zu der Frage, ob die der Gemeinschaft zustehenden Ansprüche vorrangig sind gegenüber individuellen Ansprüchen. Das ist angesichts der Vielzahl solcher Fälle überraschend. Das Landgericht hat entschieden, dass die Ansprüche der Gemeinschaft vorgehen und den einzelnen Eigentümern das Klagerecht abgesprochen. Das erscheint vor dem Hintergrund, dass es sich um Gemeinschaftseigentum handelt, konsequent, denn Gemeinschaftseigentum geht alle an und dementsprechend darf es nicht in der Entscheidungsgewalt Einzelner liegen, die Ansprüche geltend zu machen. Das ist nicht bloß rechtlich, sondern auch praktisch zu begrüßen, denn die Gemeinschaft ist für das Dach und dessen Instandhaltung zuständig und muss deshalb darüber entscheiden, wie damit zu verfahren ist. Die tragende Begründung der Entscheidung, dass der Gemeinschaft ein Wahlrecht zwischen der Naturalrestitution und Geldentschädigung zusteht, ist plausibel und überzeugend. Aufgrund der bislang nicht höchstrichterlich geklärten Rechtsfrage hat das Landgericht die Revision zugelassen. Sofern sich die Rechtsauffassung des Landgerichts München durchsetzt, beinhaltet das eine erhebliche Einschränkung der individuellen Ansprüche einzelner Eigentümer nach § 1004 BGB. Solche Ansprüche sind danach regelmäßig ausgeschlossen, wenn Gemeinschaftseigentum betroffen ist. Die Entscheidung hat daher eine erhebliche praktische Bedeutung.

LG München, Urteil vom 15.11.2017 – 1 S 1978/16 WEG

AG München, Urteil vom 10.12.2015 – 483C 21827/15 WEG