Der absichtlich provozierte Verkehrsunfall aus rechtlicher Sicht

Die absichtliche Herbeiführung eines Verkehrsunfalls ist leider keine Seltenheit. Zweck der provozierten Unfälle ist die Inanspruchnahme der gegnerischen Versicherung. Oft verwenden die Täter vorgeschädigte Fahrzeuge, die durch den provozierten Unfall einen weiteren Schaden erleiden. Der Vorschaden wird verschwiegen, was praktisch oft kein Problem ist, wenn der durch den provozierten Unfall verursachte Schaden so groß ist, dass er den Vorschaden überdeckt.

Provozierte Verkehrsunfälle treten häufig bei Auffahrunfällen und Vorfahrtsfehlern auf. Beim Auffahrunfall bremst der Täter unvermittelt stark ab, sodass das dahinterfahrende Fahrzeug nicht schnell genug abbremsen kann und auffährt. Beliebt ist dieser Trick an Ampeln, bei denen beim Umspringen auf Gelb zunächst beschleunigt und dann stark gebremst wird. Nachfolgende Fahrer stellen sich darauf ein, auch noch schnell über die Ampel zu fahren und rechnen nicht mit der Bremsung. Vorfahrtsfehler werden oft in Gebieten mit Rechts-vor-Links Regeln ausgenutzt. In solchen Gebieten machen es sich Täter zunutze, dass viele Verkehrsteilnehmer nur beiläufig von rechts kommende Fahrzeuge beachten. Der formal vorfahrtsberechtigte Täter bremst in einer solchen Situation nicht, sondern nutzt die Unachtsamkeit aus und hält drauf. In manchen Fällen gibt der vorfahrtsberechtigte Provokateur dem späteren Unfallgegner zu erkennen, ihm den Vortritt zu lassen, fährt aber gleichwohl los, sodass es zur Kollision kommt. Täter geben dann an, dass sie dem Unfallgegner keineswegs ein Handzeichen gegeben hätten, sondern sich lediglich an die Nase gefasst haben. Den Provokationsfällen ist gemeinsam, dass die Täter nach außen korrekt handeln, denn sie hatten Vorfahrt oder bremsten an einer roten Ampel, sodass der Vorwurf gegen den Unfallgegner gerichtet wird.

Die teilweise bandenmäßig agierenden Provokateure fliegen allerdings auf, wenn sich nachweisen lässt, dass die Bremsung grundlos erfolgte oder bei Vorfahrtsfehlern Helfer am Straßenrand standen, die dem Provokateur Zeichen gaben. Für Betroffene ist die Beweissicherung wichtig. Sie sollten daher Zeugen – bestenfalls solche, die nicht im eigenen Auto saßen – ausfindig machen, befragen und die Korrespondenzdaten (Name, Anschrift, Telefonnummer) ermitteln. Darüber hinaus gehende Indizien können darin bestehen, dass das Fahrzeug bereits Vorschäden aufgewiesen hat, die nicht offengelegt worden sind, oder dass der mutmaßliche Provokateur bereits in andere ähnliche Unfälle verwickelt war. Für Vorschäden sprechen Lackspuren, die farblich nicht zu den beteiligten Fahrzeugen passen. Wenn der Verdacht eines provozierten Unfalls vorliegt, ist die Erstattung einer Strafanzeige zu empfehlen. Denn Polizei und Staatsanwaltschaft haben weitergehende Möglichkeiten, Anhaltspunkte für eine Unfallprovokation zu sammeln: In den Ermittlungen wird festgestellt, ob der mutmaßliche Täter bereits in ähnliche Unfälle verwickelt war, ob er auf Reparaturkostenbasis abgerechnet hat oder die Reparatur nicht oder in Eigenregie vorgenommen hat oder ob das Fahrzeug nur notdürftig instandgesetzt worden ist. Im Zweifel sollten Betroffene daher Anzeige erstatten – oft sind Täter bei der Polizei bereits bekannt. Eine im Vordringen befindliche Art der Beweissicherung besteht darin, eine Dashcam zu nutzen, die das Geschehen im Straßenverkehr aufzeichnet. Diese Art der Videoüberwachung ist vor dem Hintergrund des Datenschutzes aber nicht unproblematisch, sodass einige Gerichte die Aufzeichnungen als Beweismittel nicht zulassen. In der Rechtsprechung ist aber eine Tendenz dahingehend zu erkennen, Videoaufzeichnungen als Beweismittel zuzulassen, zumindest dann, wenn sie nicht anlasslos erfolgen.

Derjenige, der einen Verkehrsunfall absichtlich herbeiführt, kann vom Unfallgegner keinen Schadensersatz verlangen, denn die Beschädigung ist aufgrund der durch die Provokation erteilten Einwilligung nicht rechtswidrig. Der Betroffene hat hingegen einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Provokateur (§ 823 Absatz 2 BGB, § 7 StVG, § 826 BGB). Dass der Betroffene selbst einen Fahrfehler begangen hat, führt normalerweise zur Veranschlagung einer Teilschuld (§ 17 StVG). Das gilt indessen in Fällen der absichtlichen Herbeiführung von Unfällen nicht, denn das Mitverschulden tritt hinter der vorsätzlichen Verursachung vollen Umfangs zurück (OLG Hamm, Urteil vom 28.10.1996 – 6 U 70/96). Für Betroffene problematisch ist, dass die Haftpflichtversicherung des Provokateurs aufgrund der vorsätzlichen Herbeiführung des Schadens von der Leistung frei wird (§ 103 VVG). Deshalb bleiben Betroffene, wenn der Täter vermögenslos ist, auf dem Schaden sitzen und können sich nur an die Verkehrsopferhilfe wenden (§ 12 PflVG). Die Leistungsfreiheit der Haftpflichtversicherung greift allerdings nicht in Fällen, in denen der Provokateur ein Fahrzeug eines unbeteiligten anderen Halters benutzt, denn in diesen Fällen haftet der Halter nach § 7 StVG und die Haftpflichtversicherung hat den Schaden zu bezahlen, der durch den Fahrzeugführer vorsätzlich herbeigeführt worden ist. Durch das absichtliche Herbeiführen von Unfällen machen sich die Provokateure wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und möglicherweise wegen Körperverletzung strafbar (§§ 315b, 223 StGB).

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