„Lichter aus in Düsseldorf“ rechtswidrig: OB durfte kein Zeichen gegen Intoleranz und Rassismus setzen (BVerwG, Urt. v. 13.09.2017 – 10 C 6.16)

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig hatte über eine Aktion des Düsseldorfer Oberbürgermeisters zu entscheiden. Anlässlich einer Versammlung „gegen die Islamisierung des Abendlandes“ am 11.01.2015 hatte der Oberbürgermeister „als Zeichen gegen Intoleranz und Rassismus“ zum Ausschalten der Lichter am Folgetag ab 18:25 Uhr und zum Besuch einer Gegenveranstaltung aufgerufen. Im Internet wurde die Aktion angekündigt mit „Lichter aus! Düsseldorf setzt Zeichen gegen Intoleranz“. An öffentlichen Gebäuden – unter anderem am Rathaus – wurden als zu dieser Zeit ebenfalls die Lichter ausgeschaltet. Die Versammlungsleiterin klagte gegen die Aktion und bekam vor dem Oberverwaltungsgericht Münster teilweise Recht. Das OVG meinte, dass die Licht-aus-Aktion mit dem entsprechenden Aufruf gegen das Sachlichkeitsgebot verstoße, beanstandete aber den Aufruf zur Teilnahme an der Gegendemonstration nicht.

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig änderte das OVG-Urteil und stellte fest, dass sowohl die Licht-aus Aktion als auch der Aufruf zum Besuch der Gegendemonstration rechtswidrig waren. Dem Oberbürgermeister sei es im Rahmen seiner Aufgaben erlaubt, sich zu Themen zu äußern. Allerdings sei es ihm nicht gestattet, den Meinungsbildungsprozess der Bevölkerung zu lenken und zu steuern. Verboten sind auch Äußerungen, die nicht mehr dem rationalen Diskurs dienen, sondern die Vertreter anderer Meinungen ausgrenzen. Diesen Anforderungen wird weder die Licht-aus-Aktion noch der Aufruf zum Besuch der Gegendemonstration gerecht.

Hintergrund: Klar ist, dass sich Amtsträger zu öffentlichen Themen äußern dürfen. Sofern es sich um eine der öffentlich-rechtlichen Funktion des Amtsträgers zuzuordnende Äußerung handelt, kann es aber passieren, dass die Äußerung Rechte Dritter berührt. Rechtlich können sich Amtsträger nicht auf die Meinungsfreiheit nach Art. 5 Absatz 1 Satz 1 GG berufen, denn dieses Recht stellt ein Abwehrrecht des Bürgers gegen den Staat dar und der Amtsträger ist in seiner Funktion nicht Bürger, sondern handelt als Träger hoheitlicher Gewalt. Als solcher ist er selbst „Staat“ im Sinne der Grundrechte, ist diesen verpflichtet, kann aber keine Rechte aus ihnen herleiten. In Gerichtsentscheidungen wird zuweilen auch in Amtsträger-Konstellationen mit der Meinungsfreiheit argumentiert. Das ist juristisch falsch. Richtig ist, dass Amtsträger eine Ermächtigungsgrundlage brauchen, wenn ihre Handlungen in Rechte Dritter eingreifen. Gerade bei Äußerungen von Amtsträgern ist die Suche nach einer Ermächtigungsgrundlage schwierig, denn nur in Ausnahmefällen finden sich dafür Ermächtigungen im Gesetz. Das BVerwG lässt als Ermächtigungsgrundlage die allgemeine Aufgabennorm des jeweiligen Amtsträgers genügen und stellt damit geringe Anforderungen an die Bestimmtheit. Umso genauer prüft das Gericht aber regelmäßig die allgemeinen Anforderungen, nämlich das Sachlichkeitsgebot und das Gebot der Ausgewogenheit. Amtsträgern ist es in der Regel untersagt, einseitig Partei zu ergreifen. Vielmehr sind sie gehalten, die Positionen in Ausgleich zu bringen. Bei politischen schwarz-weiß Entscheidungen fällt die Grenzziehung regelmäßig schwer, denn einerseits will man den Amtsträgern, die schließlich aus der Politik kommen, nicht die Parteinahme versagen, andererseits müssen sie den an sie zu stellenden Neutralitätsanforderungen gerecht werden. Die Grenze ist bei unsachlichen, herabwürdigenden oder gar schmähenden Äußerungen und bei Boykottaufrufen zu ziehen.

Zustimmung verdient die Entscheidung, weil sie eine klare Position zum Umfang der Äußerungsrechte von Amtsträgern vertritt. Kritisch dabei kann aber gesehen werden, dass der Raum zulässiger Äußerungen für demokratisch legitimierte Amtsträger immer enger wird. Vor dem Hintergrund der Demokratie ist das nicht zu begrüßen, denn die Demokratie lebt vom Diskurs und die Menschen erwarten, dass von Entscheidungsträgern klar Stellung bezogen wird. Die Entscheidung fördert wischi-waschi Äußerungen, die zur Politikverdrossenheit beitragen.

BVerwG, Urteil vom 13.09.2017 – 10 C. 6.16

OVG Münster, Urteil vom 04.11.2016 – 15 A 2293/15

VG Düsseldorf, Urteil vom 28.08.2015 – 1 K 1369/15